Die Gefahr wächst. Eine Wildbienenart nach der anderen stirbt aus. Vom Diplombiologen und Urban Gardeing Experten Eike Wulfmeyer wissen wir, dass Kenner als eine Hauptursache des Insektensterbens gebeiztes Saatgut im Verdacht haben. Wir lassen uns das Beizen von Saatgut in Gartenbau, Forst- und Landwirtschaft von denen erklären, die es tun. Die Gärtnerei Schlüter erläutert auf ihrer Webseite: „Beim Beizen werden die geernteten Samen einer Pflanze mit Pflanzenschutzmitteln (siehe Zum Nachdenken: Pestizide) behandelt. So können die Sämereien vor dem Befall mit Pilzen, Krankheiten oder Schädlingen wie Insekten geschützt werden. Auf diese Weise soll die Keimfähigkeit des Saatgutes verbessert und Erkrankungen, die bereits im Keim auftreten, entgegengewirkt werden.“ So könne einem Vitalitätsverlust der Pflanzen, der Qualitätsminderung der Ernte und im schlimmsten Fall dem Totalverlust der Ernte durch geschädigtes Saatgut vorgebeugt werden.
Unter den Wirkstoffen,die in den heutigen Beizen eingesetzt werden, kommen auch Insektenvertilgungsmittel wie Wirkstoffe aus der Gruppe der Pyrethroide sowie Neonicotinoide zum Einsatz. Das klingt für Insektenliebhaber schon schlimm genug, aber einige dieser chemischen Mittel verbleiben nicht auf der äußeren Hülle des Samens, sondern dringen in den Sämling ein, können sich so im gesamten Samen und im Keimling über den sogenannten Saftstrom verbreiten. Zum Teil bleiben die Insektengifte nicht nur nach dem Austreiben in der Pflanze, sondern werden auch nach der Aussaat im Boden aktiv und verteilen sich rund um das Korn. So bilden sie einen sogenannten Beizhof, in dem Insekten nicht überleben, und können sich übers gesamte Ökosystem verteilen. So ließe sich auch erklären, warum das Insektensterben nicht nur um die industriell bestellten Äcker herum fortschreitet, sondern auch vor Naturschutzgebieten nicht Halt macht. Die konventionellen Gärtnereien und Landwirtschaftsbetriebe wie Schlüter freuen sich darüber, dass das Beizen des Saatgutes ihre Nutzpflanzen vor beispielsweise Blattläusen oder Kohlfliegen schützt: „Werden Insektizide direkt als Beize auf das Korn gebracht, müssen die Pflanzen später weniger oder gar nicht mehr gespritzt werden. So lassen sich die Mittel zielgerichtet einsetzen.“
Die Freude ist nicht auf allen Seiten. Inzwischen beginnen auch Nicht-Biologen das Summen und Brummen und den Gesang der auf Insekten angewiesenen Vögel zu vermissen. Sicherlich hat das Insektensterben viele Ursachen. Sicherlich ist es schön, den überlebenden Wildbienen Nistmöglichkeiten zu schaffen (siehe: Workshop Insektennisthilfen) und in deren Nähe ihre bevorzugten Futterpflanzen auszusäen. Aber es bleibt uns allen, die wir auf Vielfalt fliegen, nichts anderes übrig, als auch anderswo zu handeln. Andreas H. Segerer und Eva Rosenkranz geben uns in ihrem Buch „Das große Insektensterben – Was es bedeutet und was wir jetzt tun müssen“ für unseren politischen Einsatz konkrete Hinweise:
• Das globale Artensterben gehört international, national und regional auf jede umweltpolitische Agenda.
• Das System der Agrarsubventionen muss neu gedacht und angelegt werden.
• Wir brauchen dringend ein Pestizidverbot im Umfeld ökologisch hochwertiger Flächen, im Haus- und Kleingartenbereich und auf kommunalen Flächen.
• Das Übermaß an Stickstoffeinträgen muss drastisch reduziert werden.
• Jede Beseitigung und Beeinträchtigung bestehender, für Kleintiere wichtiger Biotope wie Feldgehölze, Hecken, Kleingewässer ist zu verbieten.
• Historische Kulturlandschaften sollen mit traditioneller, nachhaltiger und weitgehend chemiefreier Bewirtschaftung wiederhergestellt werden.
• Der Flächenverbrauch und die Versiegelung müssen gebremst und zurückgefahren werden.
Und wir KEBAP-Gärtner*innen ergänzen noch: Achtet auf euer Saatgut und auch auf die Praktiken der Produzent*innen, bei denen ihr einkauft.